Institut Kunst

Bachelor

 

Sonja Lippuner

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Material – Raum und Ort
Materialien wie Gips, Ton und Stein, klassische bildhauerische Techniken, teilweise figurativ, die Auseinandersetzung mit Oberfläche und Materialität, sind die Grundlagen, aus denen sich meine künstlerische Arbeit entwickelt. Durch Loslösungsprozesse, dem Zersetzten von Material und Form, entferne ich mich von der menschlichen Figur und gelange zu einer neuen Körperlichkeit im Raum. Doch was heisst Raum? Wie gehe ich mit ihm um? Und wie bewege ich mich in ihm, wie verortet sich das Werk und wie der Betrachtende? Durch den Übergang von der singulären Skulptur zur ortsspezifischen Installation erfährt der Besuchende seine eigene Körperlichkeit im Verhältnis zum ihn umgebenden Raum. Ein wichtiger Kernpunkt meiner Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Raumwahrnehmung und -erfahrung. Durch spezifische architektonische Eingriffe transformiere ich bestehende Raumstrukturen und ihre Verortungen und Szenerien.

Raum der Erinnerung
Ich beobachte Veränderungen und ihre Verbindung mit Zeitlichkeit, denn nur im Raum der Erinnerung ist der unerbittliche Ablauf der Zeit aufgehoben. Unabhängig davon wie viel zeitliche Distanz geschaffen wird, Erinnerungsbilder blitzen immer wieder auf und prallen mit dem Jetzt zusammen – ein neues Bild entsteht in diesem Dazwischen, ein Bild zwischen Realität und Konstruktion.

Das Auflösen von Bildmaterial aus verschiedenen Archiven und dessen Transformation zu Objekten, interessiert mich ebenso wie der Moment, in dem ein Bild aus vorhandenen Bildern entsteht, wobei zugleich ein Auflösen und Zusammenschmelzen, ein Eingiessen und Festhalten (von Erinnerung) stattfindet. Mich interessieren die Handlungsspielräume zwischen Materialität und Inhalt, zwischen (kultur-) historischen Bezügen und meiner persönlichen Wahrnehmung als Künstlerin des 21. Jahrhunderts. Wann und wie verändern sich Bilder, wenn sie losgelöst sind von ihrem ursprünglichen Kontext?

Landschaft der Erinnerung
Meine Werke spiegeln eine Diskrepanz zwischen Nostalgie und einer absurden Bestandsaufnahme dessen wider, was längst nicht mehr so existiert wie in der eigenen Erinnerung. Ländliche Zustände und menschliche Existenzen mischen sich in einer Diversität aus Sehnsüchten und paradoxen Erscheinungen:

Ich schaue von spezifischen Orten aus auf die Entwicklung ländlicher Strukturen: Wie lösen sich beispielsweise ganze Regionen auf? Ich beobachte, wie Dörfer gesichtsloser werden und sich dadurch plötzlich nicht mehr verorten lassen. Die Landschaft verändert sich. Und ich? Ich nähere mich den ersten Häusern, bin über den Palmen im künstlichen Paradies, dann unten, dort ein Swimmingpool in der Stube, die Fenster sind mit Dampf beschlagen und der Garten wächst erst im Frühjahr wieder.

Ausgehend von solchen spezifischen Orten und Landschaften und ihren Entwicklungen geht es mir um die Frage, wie sich Erinnerungsbilder zu einem ganz eigenen Konstrukt (z.B. Heimat) zusammensetzten und losgelöst von räumlicher und zeitlicher Verortung zu modularen Systemen werden, die sich selbständig in andere Räume verschieben. Wo setzt dabei der (Selbst-) Betrug ein? Wo beginnt die Loslösung von stark verankerten Bildern? Ab wann sind diese Bilder ein selbstgemachtes Wahrheitskonstrukt.

Tektonische Programmierung jenseits virtueller Räume
Ich fange an zu ordnen: mein Bilderarchiv und meine Materialsammlung. Ich ordne in systematischen
Abläufen, bringe sie in Reihen, in Folgen und fange an sie zu kodieren, zu konstruieren und mir ein System aufzubauen. Einzelne Bildfragmente werden programmiert. Ich programmiere in einer analogen Sprache, fern von virtuellen Räumen schichte ich Ebenen zu einer neuen Topografie des Sehens: ein Muster, eine Struktur. Fragen nach Bildkonstrukten und deren Indikatoren werden aufgeworfen, eine Ordnung des Systems gesucht, die Wiederholung und deren scheinbare Endlosigkeit gesehen. Und trotzdem verschieben sich die einzelnen Fragmente wie tektonische Platten, ergeben immer neue Anordnungen, Fehlerquellen brechen das System: Das Ein- und Auszoomen, von Mikro zu Makro ergibt einen ständig sich ändernden Massstab im Auge des sich bewegenden Betrachters.

Die Perspektive ändert sich mit dem Betrachtungswinkel. Es gibt eine Richtung, eine Ordnung in der sich eine Struktur bildet. Ändert der Betrachtende jedoch seinen Blickwinkel, löst sich die systematische Ordnung auf und das scheinbar einheitliche Konstrukt der einzelnen Bildkomponenten löst sich auf. Die Programmiersprache bedient sich ihrer eigenen Regeln: Nur die kleinste Abweichung bricht scheinbar die Ordnung. Die Summer jener formalen Abweichungen, verschwinden jedoch wieder in der Gesamtkomposition und die Struktur erscheint als intakt. Dies ist eine Anlage eines grossen, modularen Ordnungssystems, das sich durch seine vielschichtigen, minimalen Abweichungen erst konstituiert und definiert.

Sonja Lippuner
sonjalippuner@hotmail.com

 

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